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"Nachthorn"

  • michelpoiccarrd
  • 24. Feb. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 3. März 2024

Neulich passierte etwas, das bei mir eher selten vorkommt: ich verliebte mich in ein Stück Musik.

Ursprünglich vor allem vom Jazz und Hip-Hop kommend, habe ich die Klassik so richtig erst in meinen Mittzwanzigern mitbekommen.

Ich kann immer noch mit Mühe drei Komponisten aufzählen und bin bei weitem nicht in der Lage, zwischen den verschiedenen Gattungen (Romantik, Barock usw.) zu unterscheiden, aber ich kann mich inzwischen als Zuhörer während klassischer Konzerte in der Musik verlieren.

 

Alles begann in kalten Zehlendorfer Winternächten.

Ich hatte über ein soziales Netzwerk die Einladung zu einem „Salon“ bei „Madame A.“ erhalten. Die Gruppe bei „MeetUp“ nannte sich „Berlin Art Lovers“.

Ich stellte mir damals vor, dass man sich bei Aperitif und leichten Snacks in einer Dahlemer Altbauwohnung zum Philosophieren über Werke von Duchamp bis Rothko oder Richter treffen wolle, und fand das anregend.

Zum damaligen Zeitpunkt allerdings auch leicht soziophob (lange her!), machte ich zur Konsolidierung dieses Vorhabens erst einmal einen ausgedehnten Nachmittagsschlaf, aus dem ich zu spät erwachte.

Ich entschied mich für den Abend und notgedrungen auch gleich für ein Taxi.

Bei „Madame A.“ angekommen, erwartete mich entgegen meiner Vorstellung ein einstöckiges Einfamilienhäuschen, direkt neben meiner alten Schule.

Die nicht wenigen Gäste drängten sich in der Garderobe und verstellten Neuankömmlingen den Platz, während „Madame A.s“ Katze ihnen um die Beine strich.

Nachdem ich meine Winterjacke aufgehängt und mich ins Wohnzimmer vorgekämpft hatte, blickte ich auf einen schwarzen Flügel und gut zwei Dutzend ebenfalls schwarze Klappstühle.

So fing sie an, meine Verbindung zur Klassik.

„Madame A.“, deren vollständigen Namen ich später erfahren sollte, mich jedoch hüte, hier öffentlich zu erwähnen, lud regelmäßig Musikstudenten, die sich für ein Erasmus-Jahr in die Stadt verirrt hatten, oder Profis zu sich nach Hause ein.

Die Engagements beruhten auf den freiwilligen Spenden ihrer Gäste - und ihrer guten Reputation.

Um den intimen Rahmen nicht zu sprengen, war Diskretion oberstes Gebot.

Für kommende Veranstaltungen konnte man sich auf einer E-Mail-Liste eintragen, musste sich jedoch zusätzlich jedes Mal vorher anmelden.

Nach dem Konzert und manchmal auch während der Pause gab es einen außerordentlichen Riesling vom Weingut „Hensel“ sowie selbstgemachte Canapés.

Ich kam so oft wieder, wie ich konnte. Manchmal in Begleitung.

Dann kam Corona und die Tatsache, dass „Madame A.“ ausziehen musste und sich so schnell kein geeigneter Wohnraum für eine Fortführung der Abende finden ließ, was sie – und vor allem wir stillen Zuhörer – so gehofft hatten.

So verschwand sie ebenso beiläufig, wie sie in mein Leben getreten war.

Etwa zwei Jahre später sahen wir uns noch einmal durch Zufall in der Berliner S-Bahn wieder.

Ich vermisste die Konzerte und hatte ihr deshalb nach den letzten Ereignissen ein oder zwei E-Mails geschrieben.

Wir erkannten uns wieder und sie umarmte mich kurz, was lächerlich wirkte, weil sie mehr als zwei Köpfe größer war.

 

Die Abende gingen, aber mein Gefallen an klassischer Musik blieb fortan bestehen.

Wenn sich die Gelegenheit ergibt, verirre ich mich auch heute noch in die Philharmonie, neulich kaufte ich Dvořáks Symphonie "Aus der neuen Welt“ als Schallplatte.

Durch eine Episode des wunderbaren „Zeit“-Interview-Podcasts „Und was machst Du am Wochenende?“, die bereits vor gut einem Jahr erschien, wurde ich auf eine Musikrichtung aufmerksam, die ich mindestens ebenso lange vernachlässigt hatte wie damals die Klassik: Ambient!

Ich gestehe, dass ich mir, vielleicht streckenweise angelehnt an große schreibende Vorbilder von Thomas Mann bis Simenon, gerade eine eigene Routine fürs Schreiben aneigne.  

Dazu gehört neben manch anderem ganz sicher der richtige „Soundtrack“.

Während ich diesen ellenlangen Sermon über klassische Musik verfasste, habe ich das unglaublich gute (und im Podcast erwähnte) Album „Nachthorn“ von Maxime Denuc gehört.

Die damalige Podcast-Gastgeberin (heute mehr Autorin) war, wie ich später auch, begeistert von seinen Orgelklängen, für die er eine Kirchenorgel umgebaut und an einen MIDI-Controller angeschlossen hat (sodass zum Beispiel auch „Loops“ möglich sind).

Das Ergebnis oszilliert irgendwo zwischen Klassik und Ambient und eignet sich ebenso zum Schreiben wie zum Einschlafen (been there, done that).  

Falls ich es nicht mehr schaffe, das Album bei einem der großen Streaminganbieter zu verlinken, bitte ich um Nachsicht und den geneigten Leser, den Titel selbst in die Suchleiste zu kopieren.

 

Viel Spaß mit diesen hypnotischen Klängen und überhaupt ein musikalisches Wochenende!

 
 
 

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